Ist das ein frommer Wunsch, der den Monat Mai begleiten soll? Ein zu großer sogar? „In jeder Hinsicht Wohlergehen und Gesundheit“, das klingt anspruchsvoll. Und ich merke, wie sich in mir die altbekannte Frage an der Ladentheke umkehrt und ich überlege: „Darf´s ein bisschen weniger sein?“ Das wäre doch auch schon recht, wenn wir eine Zeit erleben würden, in der wenigstens im Großen und Ganzen Wohlergehen und Gesundheit zur Verfügung stünden! Besonnene Menschen sagen deshalb: „Nun, man hat seine Wehwehchen, und solange man die hat, merkt man, dass man noch lebt“ – und, so füge ich hinzu, dass man den unglaublichen Vorzug genießen darf, derzeit nicht um sein Leben bangen zu müssen.
Und vielleicht ist es ja das, was der Verfasser des dritten Johannesbriefs seinem Freund Gaius sagen will: Dass er eine Zeit erleben möge, in der er nicht bangen muss, sich nicht ängstigen muss um sein Leben, sondern Wohlergehen und Gesundheit als göttliche Geschenke besitzen darf. Wie groß diese Geschenke sind, erkennen wir nach zwei Jahren Pandemie und zwei Monaten Krieg in Europa deutlicher denn je. Letzten November starb mein älterer Freund Peter an Corona, und jeden Tag fliehen unzählige Menschen vor dem drohenden Tod aus der Ukraine.
Irritiert und sehnsüchtig zugleich schaue ich deshalb auf den Anfang des dritten Johannesbriefs: In jeder Hinsicht Wohlergehen und Gesundheit, - wie gerne würde ich diese Dinge mit vollen Händen verteilen, sodass kein Mensch daran Mangel leidet! Wie gerne würde ich sagen, dass der Shalom Gottes nur noch kurze Zeit auf sich warten lässt! Doch ich muss zugeben: Das kann ich nicht, das liegt nicht in meiner Hand.
Umso wichtiger ist mir deshalb der Ratschlag Martin Luthers: „Greife zum Lobe Gottes, wenn dir nicht wohl zumute ist. Denn niemand wird vom Bösen dadurch befreit, dass er auf seine Übel sieht, sondern dadurch, dass er auf die Güte Gottes schaut.“ Die eigene Seele – trotz allem, trotz dem alten Drachen, trotz dem Todesrachen (EG 396, 3) fröhlich und zuversichtlich in Gott ruhen zu lassen, in seiner Kraft, in seiner Gegenwart, im Vertrauen auf seinen Frieden, das ist der Schlüssel dafür, allen äußeren Mächten und Einflüssen zum Trotz gesund zu sein. Klar, das ist nicht einfach, weil vieles an uns zerrt und weil wir oft so abgelenkt, so beschäftigt sind, gar nicht zum Wesentlichen kommen. Und weil das Lob Gottes auch noch morgen Zeit hat. Doch wenn wir heute das Wohlergehen unserer Seele suchen, dann, so Luther, ist das Lob Gottes, die Stille, die innere Balance wichtiger als alles andere. -- Ich wünsche Ihnen und euch allen, den Kirchemerinnen und Kirchemern, einen gesegneten Monat Mai!
Ihr/Euer Andreas Bührer.
Gemeinsam mit Ute von 1987-1990
zuhause Am Plon 4, heute
Pfarrer in ES-Hegensberg/Liebersbronn.